[linux-l] DAU-Erziehung durch Dummstellen

Norm@nSteinbach norm at nsteinbach.de
Mi Dez 12 02:26:26 CET 2007


Volker Grabsch wrote:
>> Im Datei-Anhang dieser E-Mail befindet sich eine per Scanvorgang
>> digitalisierte Fassung des benötigten Dokuments.
>> Das Dokument wurde - gemäß der für Berlin zukünftig geltenden Regelung
>> zur Verwendung offener, plattformunabhängiger Dokumentenformate - im
>> OpenDocument-Format(Text) ".odt" abgespeichert, welches sich mit der
>> freien Bürosoftware "OpenOffice.org" (und anderen Programmen) öffnen lässt.
> Psychologisch ist das ungeschickt.
Außer, dass ich selbst über eine menschliche Psyche verfüge, besitze ich 
leider keinerlei psychologisches "Wissen" - die Konzepte, die ich in 
diesem Fachgebiet *bisher* gelesen habe, kamen mit jedoch eher wie 
institutionalisiertes Halbwissen vor. Manchmal ist etwas Populismus 
vielleicht hilfreich?

> Immerhin "rechtfertigst" du dich
> dafür, einen offenen, weit verbreiteten Standard zu benutzen. Obwohl
> sich *eigentlich* derjenige rechtfertigen müsste, der ein proprietäres
> Dateiformat benutzt.
Ja, dessen bin ich mir voll bewusst. Aber zudem bin ich mir bewusst, 
dass mind. jeder zweite, der in diesen Behörden arbeitet, zu Hause einen 
Win-PC mit M$Office hat, und sich in den Köpfen dieser Leute der Gedanke 
"doc ist doch das ganz normale word-format, warum kann der damit nicht 
umgehen/mir das nicht liefern?" eingebürgert hat. Davon muss man sie 
erstmal wachrütteln, sie also der Realität näher führen.

> Ich würde es lieber umgekehrt machen: Einfach ohne Kommentar ODT
> benutzen. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der viele
> Leute DOC-Dateien verwenden. Und wenn jemand sagt, er könne sie nicht
> öffnen, dann sich auch mal blöd stellen, und völlig überrascht tun:
> "Nanu, mein OpenOffice kann die problemlos öffnen. Vielleicht brauchst
> du ne neue Version?" ... mit Link auf OpenOffice.org
Ja, das wäre eine weitere Möglichkeit. Bei privatem Datenaustausch würde 
ich wahrscheinlich sogar so verfahren, aber behörden sind 
institutionalisiert, und nach den derzeit verfügbaren Informationen 
ziemlich stark Micro$oft-korrumpiert. Da man die Mitarbeiter dieser 
Behörde in solchen Schreiben nicht persönlich, also 
"von-Mensch-zu-Mensch" ansprechen darf (dann fühlen sie sich gleich 
"intimidated"), muss man der institutionellen Struktur rechnung tragen. 
Der Empfänger des ersten Text-Beispiels hat mir übrigens bereits am 
Telefon gesagt: "Wenn Sie uns das Dokument zusenden, könnte es evtl. 
Probleme mit dem Dateiformat geben" (bzw. hat er das ausdrücken wollen, 
mangels Fachwissen hat er andere Worte benutzt).

> Vielleicht installiert er sich OpenOffice. Vielleicht hat er auch
Das liegt im behörden-Umfeld normalerwise nicht in der 
Entscheidungskompetenz desjenigen, der den entsprechenden Desktop 
bedient. Würde er das machen, könnte er mit Entlassung, bzw. beim 
Beamtenstatus, mit Degradierung rechnen. Das wird so ziemlich der Effekt 
sein, den diese Mitarbeiter am meisten zu verhindern versuchen...

> mehr "Durchblick" und ist sich bewusst, dass er MS-Office hat. Aber
> dann sollte er das Gefühl haben, dass *er* eine etwas "komische"
> Software hat.
Dieses Gefühl hoffe ich durch die populistische Darstellung des 
Idealismus bei dem einzelnen Mitarbeiter dennoch hervorgerufen zu haben 
- auf dass er bei der nächsten Sitzung/Meeting irgendwann (wenn noch 
Word verwendet wird) die Tatsache anspricht, dass die Kunden immer 
häufiger Dateien schicken, die Word nicht öffnen kann...

> Ist es nicht schlimm genug, dass man als Nutzer freier Software und
> offener Standards ständig in eine "Verteidigungs-Position" gedrängt
> wird? Das muss doch nicht selbst auch noch fördern. Nein, den Spieß
> sollten wir umdrehen!
Den Spieß kannst Du nicht umdrehen, wenn Du ihn nicht am richtigen Ende 
anfasst!

> "MS-Office? Ja, hab ich auch mal probiert, aber das produziert so
> komische Dateien, die man nirgendwo anders öffnen kann."
Solcherlei Äußerungen sind natürlich ebenfalls Bestandteil meines 
Repartoires - je nach dem wie es gerade angemessen ist. Bei Anwendern, 
die selbst entscheiden welche Software sie benutzen gehören die zum 
Standardprogramm. Bei weniger freien Anwendern muss man den Hebel an 
einer höheren Stelle ansetzen.

>> Ist natürlich beides alles andere als ideal, aber dafür wenigstens 
>> hinreichend ideologisch! ;-)
> Genau diese Ideologie würde ich weglassen. Wenn wir offene Standards
> und freie Software als Ideologie und nicht als Selbstverständlichkeit
> ansehen, werden wir nie aus unserer beklemmenden Verteidigungs-Position
> heraus kommen!
Das sehe ich anders.

>> Übrigens: Bisher kam noch keine solche Rückmeldung, dass sie damit 
>> nichts anfangen könnten, und keines der beiden wollte pdf oder jpg von 
>> mir haben.
> Dann lass den Kommentar doch einfach mal weg, und warte darauf, ob
> es überhaupt Rückfragen gibt. Wer weiß, vielleicht sind die sogar
Werde ich vielleicht im nächsten Fall auch einmal machen, rein 
testweise. Ist ja nicht so, dass ich für andere Ansätze offen wäre.

> froh, auch mal ODT-Dateien zu kriegen. In dem Fall wäre ein ideologischer
> Text eher befremdlich und abschreckend. Er würde das genaue Gegenteil
> bewirken.
Das kann ich wiederum nicht nachvollziehen. Wenn sie sich ohnehin über 
ODT freuen, weshalb sollte diese Freude dann durch einen Kunden 
gemindert werden, der von ODT überzeugt ist, anstatt von Microsoft-Formaten?



Viele Grüße,

Norm at n



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