[pkl] PKL und Messproblem / Relationsgefüge (Re: Fw: Re: Fw: Re: SWR2: Können Computer den menschlichen Geist simulieren? (Human Brain Project usw.))

Eberhard von Goldammer vgo at xpertnet.de
Fr Sep 20 14:24:24 CEST 2013


... dann miss doch einfach einmal das, was Deine Freundin oder Freund wahrnimmt, wenn ihr einen Sonnenuntergang wahrnehmt. Oder... miss das, was Deine Freundin oder Freund gerade denkt, wenn ihr Euch über irgendetwas unterhaltet.
Du wirst auch nie herausfinden wie das Gehirn wirklich funktioniert. Man kann also nur überlegen, eine Maschine zu bauen, die so etwas leistet wie das, was wir Bewusstsein nennen - also Wahrnehmungsprozesse und Entscheidungsprozesse, Lernprozessen usw.
Versuche einmal zwei gleichrangige Titel - also zwei nebengeordnete Titel, die in einer heterarchischen Beziehung (Relation) zueinander stehen - darzustellen ... eine gute gedankliche Übung. Eine andere wäre beispielsweise Sommer und Winter parallel-simultan - also zugleich - zu denken .. auch eine gute Übung. Diese Übungen sind sozusagen die Umkehrung zu dem Messproblem - hier ist es ein grundsätzliches Darstellungs- bzw. Vorstellungsproblem.
MfG
evgo



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: pkl [mailto:pkl-bounces at mlists.in-berlin.de] Im Auftrag von oliver
Gesendet: Freitag, 20. September 2013 01:07
An: pkl at mlists.in-berlin.de
Betreff: [pkl] PKL und Messproblem / Relationsgefüge (Re: Fw: Re: Fw: Re: SWR2: Können Computer den menschlichen Geist simulieren? (Human Brain Project usw.))

Hallo,


On Thu, Sep 19, 2013 at 09:44:18PM +0200, Eberhard von Goldammer wrote:
> … ein polykontextural strukturierter Prozess existiert eben gerade 
> nicht „physikalisch konkret“. Sie können physikalisch Konkret die 
> Potentialdifferenzen im Hirn oder die Hirnströme messen – aber was sie 
> nicht messen können ist das Relationengefüge, das diesem prozessualen 
> Geschehen zugrunde liegt und das sich auch permanent verändert.
[...]

Aha, sehr interessant.

Mich würde ja sehr interessieren, ein einfaches physikalisches Beispiel zu haben, an dem man diese Problematik der messtechnisch nicht erfassbaren Relationsgefüge aufzeigen kann.

Gibt es da Beispiele, die zwar "philosophisch" erläutert werden können (wo das Problem also argumentativ aufgezeigt wird), denen man aber per Messung nicht bei kommt?

Kann man da evtl. Probleme der Quantenphysik heran nehmen?

Oder gibt es aus der klassischen Physik sogar Beispiele?

Das Problem Beobachter und Beobachtetes fällt doch sicherlich hier hinein?

Also Heinz von Foerster's (?) Beispiel der Hirnforschung?
Also Forscher X kann an Patient Y's Gehirn nicht nur Hirnströme messen, sondern das Hirn auch elektrisch stimulieren.

Y hat daraufhin möglicherweise irgendwelche Empfindungen, Halluzinationen oder Aussetzer. Forscher X bekommt aber von Y nur vage Aussagen, womöglich kann er wöährend der Empfindungen nicht sprechen, da das Sprachzentrum mit stimuliert wurde (und nicht nur beispielsweise das Temperaturempfinden, wie man ggf. vor hatte).

Nun könnte Forscher X daher auf die Idee kommen, möglicherweise an seinem eigenen Gehirn elektr. zu stimulieren, da er dann die entsprechenden Empfindungen selbst aus der Innenansicht heraus wahrnehmen kann.
Also versucht er sei eigenes gehirn elektrisch zu stimulieren.

Dadurch hat er die Innenperspektive, braucht also nicht sprechen dabei, hat die Erfahrung selbst (was wesentlich besser ist, als der Proband mitteilen könnte), ist aber womöglich nicht mehr in der Lage, unter Stimulationeinfluß seine Forschung weiter zu betreiben, da ggf. die (Bewiusstseins-)Funktionen, die man für wissenschaftliches Denken braucht auch beeinflusst wurden. 

Also, um auf "Nummer Sicher" zu gehen, wird dann doch besser das Gehirn von Y stimuliert. Dadurch entgeht man dem Problem der direkten Selbstreferenz.
Dann hat man aber das Problem, daß Forscher X eben genau nicht die Innenwelt desjenigen direkt erfährt, dessen Gehirn stimuliert wird, und man ist wieder auf die Aussagen von Y angeweisen, kann also niemals direkt die Ergebnisse der Hirnstimulation *erfahren*.

Also bleibt es beim Beobachter-Problem.
Entweder Innensicht des Probanden, oder Aussensicht des Forschers (der Wissenschaft).
  (Anthropologen und Soziologen kennen da noch die teilnehmende Beobachtung,
  wie kann man dies aus Sicht der PKL eigentlich beurteilen?)


Wenn man sich jetzt nicht auf die vielen Relationsgefüge in den Gehirnen (und ausserhalb davon?) von X und Y bezieht (also nicht auf die Neuronen-Aktivität), sondern nur auf die Situation
    "X beobachtet Y und will den Zusammenhang von Stimulation und Erleben ermitteln", dann sollte dieses Verhältnis doch so ein Relationsgefüge darstellen?

Wenn ich das richtig sehe, ist dieses Problem der zwei Subjekte/Subjektivitäten schon komplexer, als das, was Günther im Bewusstsein der Machinen an seinem einfachen Modell (Bew. d. Masch. Seite 78, und die Tabellen ab Seite 88) darstellt, denn er beschreibt dort ja nur EIN Subjekt (und seine Reflexion), und für ein zweites Subjekt bräuchte man noch so ein Dreieck. (Oder?)


Sind also für "praktisch brauchbare Zwecke" die Grundlagenmodelle, die Günther im Bew.d.Masch. beschreibt eigentlich noch zu minimalistisch?

 (Aber dafür sozusagen auf den Kern der Problematik zusammen gedampft,  nämlich das Problem, daß man mit der klassischen Logik sich dem Problem  der Subjektivität nicht angemessen nähern kann?)

Gilt das auch für evtl. auffindbare physikalische Experimente?

Man müsste schliesslich berücksichtgen, daß auch Wissenschaft ja garnicht, wie man es womöglich gelernt hat, aus Subjekt (beaobachter) und Objekt (Beobachtetes) besteht; sondern aus mehreren Subjekten, denn Wissenschaft ist ein *gesellschaftliches* Unterfangen und kein solipsistisches.

Und schon alleine der Spracherwerb, der mit "Mama" anfängt und irgendwann bei Differentialgleichungen ankommt und Wissenschaft erst formulierbar macht, geht ja nicht ohne diese Mama und die Mathelehrer, die einem ermöglichten, die Erkenntnis oder den Erkenntnisprozeß zu versprachlichen.
Das einzelne Subjekt, das auf die Schatten in der Höhle blickt und solipsistisch daraus Erkenntnis generieren soll, und dies mittels dem Modell Subjekt-Objekt macht (wie in der Wissenschaft ja üblich) ist daher von vornherein eine Illusion.

Man kann sich dann fragen, wenn man einen Bogen zur Politik geht, ob das neoliberale Modell des Einzelnen Super-Individuums mit vollkommen rationaler Marktbeherrschung, nicht auf dieses problem zurückführbar ist, also seine grundlage schon in der Erkenntnistheorie, die der Wissenschaft (und Philosophie) zugrunde liegt, schon angelegt ist.


(
  Das gesellschaftliche Gegenmodell, welches das Kollektiv über das
  Individuum stellt (bzw, das Individuum nicht kennt)
  lässt sich schon mit einem Subjekt-Objekt-Modell
  wohl garnicht mehr erklären, ausser, man spricht von "kollektivem Subjekt"?
  "Subjekt der Geschichte"?, "revolutionärem Subjekt"? usw. und fasst die
  vielen getrennten Einzelsubjekte so zusammen, als seien ihre Gehirne
  in eins verkoppelt (also auch hier nicht mehr als ein (kollektives) Subjekt
  und ein Objekt, also zweiwertig), so, als ob Forscher X direkten Zugriff auf
  Proband 's Empfindungen hätte,
      (dann bleibt obiges Stimulations-Erkenntnis-Problem aber letztlich  bestehen)
  
  oder wie bei den Borg...
 
     "Wir sind die Borg. Deaktivieren Sie Ihre Schutzschilde und ergeben Sie
     sich. Wir werden ihre biologischen und technologischen Charakteristika den
     unsrigen hinzufügen. Ihre Kultur wird sich anpassen und uns dienen.
     Widerstand ist zwecklos!"

       ( http://www.youtube.com/watch?v=ZetmwyBanNU )
)


Gruß,
   Oliver


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