linux-l: dtp unter linux

Florian Cramer cantsin at ZEDAT.FU-Berlin.DE
Sa Feb 10 14:41:28 CET 2001


On Fri, Feb 09, 2001 at 11:04:27PM +0100, Jens-Uwe Morawski wrote:
> On Fri, 09 Feb 2001 Stefan Tietke wrote:
> > - tex / lyx: dokumentensatzsystem - mir geht es um die gestaltung von
> >                                                           einigen wenigen
> 
> Dem letzteren schließe ich mich nicht an: Wenn du auf Farbverläufe
> und Pfadtexte verzichten kannst, geht pdfLaTeX für fast alles.
> (Vergiß LyX!)

Diese Dialektik leuchtet mir nicht ganz ein - seit Version 1.1.6
unterstützt LyX auch pdflatex.

Aus meiner Sicht ersetzt TeX/LaTeX kein DTP-Programm, weil es eine
Textsatzsoftware ist und kein Seitenmontage-Programm. D.h. TeX ist
historisch und konzeptuell mit Fotosatz-Systemen verwandt, die von den
1970er bis in die späten 1980er Jahre eingesetzt wurden. Wegen der viele
Dinge sehr gut, die mit interaktiver DTP-Software schlecht gehen (z.B.
Generierung von Dokumenten aus Datenbanken, Bearbeitung extrem langer und
komplexer Textdokumente, die dank des prozeduralen Systems nicht durch
RAM-Kapazität begrenzt ist). Aber letztlich müßte man z.B. für Zeitungs-
und Zeitschriftenlayout mit LaTeX so umgehen wie früher mit den
Fotosatzcomposern: Der Text wird auf Spaltenbreite formatiert, ausgedruckt
und dann 'analog' auf dem Leuchttisch zu einem Layout geklebt. Ein
DTP-Programm muß also beides können: ausgezeichneten Textsatz, ausgefeilte
Montagefunktionen, und das beides in WYSIWYG bzw. Echtzeit-Darstellung.
Man kann vor den Programmierern gerade der frühen Quark XPress (3.1)- und
PageMaker (4.2)-Versionen nur den Hut ziehen, die selbst auf
486er-Hardware gut benutzbar waren.

Trotz aller typographischen Vorteile halte ich LaTeX nur bedingt für eine
gute Basis eines DTP-Programms: Die DVI- und Metafont-Formate sind heute
obsolet und z.T. nachteilbehaftet (vor allem die Tatsache, daß Metafont
die Font-Vektoren nicht, wie z.B. TrueType und Adobe Font Manager,  "on
the fly" in Bitmaps umrechnet und an die Auflösung des jeweiligen
Ausgabegeräts anpaßt, sondern diese Bitmaps statisch auf der Festplatte
ablegt); pdflatex hat leider noch eine Reihe von Schwächen (z.B. bei der
Positionierung von Float-Objekten). Außerdem muß ein DTP-Programm das
Layout in Echtzeit rendern, was sich schlecht mit dem Compiler-Design von
TeX verträgt.

Angesichts der o.g. Probleme ist es äußerst ärgerlich, daß die Entwickler
von "KWord", einem Programm, das nicht einmal rudimentäre
Editor-Funktionen anständig beherrscht, von einem "FrameMaker-like
program" schwafeln.

Florian

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Florian Cramer, PGP public key ID 6440BA05



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