Freie Software und Volkswirtschaft (was: Re: [linux-l] ReactOS)

olafBuddenhagen at gmx.net olafBuddenhagen at gmx.net
Fr Dez 30 14:09:28 CET 2005


Hallo,

> >Sicherlich, volkswirtschaftlich wären freie Engines, Spiele etc.
> >günstiger, weil man das Rad nur noch fünfmal und nicht tausendmal
> >neuerfinden würde, aber, wie die Spieltheorie zeigt, gibt es viele
> >Dilemma, wo "egoistische" Entscheidungen für jeden einzelnen
> >"Teilnehmer" günstiger sind (also: kommerzielle Software), aber in
> >der Summe (volkswirtschaftlich) ungünstiger.
> 
> Das habe ich nicht verstanden. In unserer volkswirtschaftlichen
> Rechnung werden weder eigene Arbeiten im Haushalt noch freie Software
> erfasst: Putze ich meine Wohnung selbst, geht es nicht in das BIP ein.
> Lasse ich putzen und zahle dafür, geht es ins BIP ein. Die
> gesamtwirtschaftliche Produktion ist in beiden Fällen gleich, fällt
> aber - nach Erfassungsart der Bundesbank - unterschiedlich hoch aus.
> Genauso verhält es sich mit kostenloser Software (was bekanntlich
> nicht identisch mit freier Software ist). Dein Satz ergibt für mich
> nur Sinn, wenn die derzeitige Berechnung des BIP ignoriert und statt
> dessen auf die theoretisch erfassbare Wertschöpfung unter der Annahme
> abgestellt wird, dass die gesparten Aufwenungen für die redundanten
> Neuerfindungen wertschöpfend verwendet würden. Das entpricht aber
> nicht der aktuellen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ob das nun
> sinnvoll ist oder nicht; die Bundesbank wird ihre Gründe haben, die
> natürlich hinterfragt werden dürfen).

Erstens ist es völlig falsch, dass freie Software nicht im BIP erfasst
wird. Schließlich wird freie Software mitnichten nur von Hobbyisten in
ihrer Freizeit erstellt. Wenn professionelle Admins sich zusammentun um
(an ihre Arbeit gebunden) Patches für einen Webserver zu pflegen
(Apache), dann ist das sehr wohl kommerzielle Softwareentwicklung, und
geht auch direkt ins BIP ein. Genauso wenn sich professionelle
Spieleschmieden zusammentun würden, um gemeinsam eine freie Gameengine
zu entwickeln.

Die Bereitschaft, für Softwareentwicklung zu inverstieren, ist
keineswegs an Individuallizenzen gebunden. Solange es Leute gibt, die
Geld bezahlen, um benötigte Software zu erhalten, gibt es auch Wege,
Softwareentwicklung zu finanzieren. Diskussionen darüber, wie man mit
freier Software Geld verdienen kann, kommen immer wieder auf. Die
meisten dieser Diskussionen kranken aber daran, dass sie an dem
"klassischen" Modell orientiert sind, bei dem eine Firma ein Produkt hat
und dafür irgendwie Geld kassiert. Das muss keineswegs so sein; und
stellt -- entgegen dem allgemeinen Eindruck -- selbst ohne freie
Software nur ein geringen Teil der tatsächlich stattfindenden
Softwareentwicklung! (ca. 25 %)

Des weiteren trägt effizientere Softwareentwicklung indirekt zur
Gesammtwirtschaft bei: Wenn man mit weniger Geld Software entwickeln
kann, wird mehr Kapital für andere Sachen frei, und/oder man kann
mehr/bessere Software entwickeln, was wiederum Wachstum an anderen
Stellen ermöglicht. (Fehlende/unzureichende Software führt an sehr sehr
vielen Stellen zu Engpässen!)

Überhaupt hat das BIP herzlich wenig damit zu tun, ob etwas
Volkswirtschaftlich gut oder schlecht ist. Wenn man mit den falschen
Größen rechnet, erhält man nur abstrakte Betrachtungen ohne jegliche
tatsächliche Relevanz. Geld ist im Allgemeinen so eine falsche Größe:
Weder bildet es den tatsächlichen Wert von Waren oder Dienstleistungen
realistisch ab, noch erfasst es alle Bewegungen, noch sind
Geldtransaktionen überhaupt immer an irgendetwas reales gebunden. Was am
Ende zählt, ist nur der tatsächliche Fluss von Waren und
Dienstleistungen. Oder, wenn man es von einem anderen Winkel aus
betrachten will, der Lebensstandard einzelner Leute.

-Olaf-



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