[linux-l] Sozalabbau (war: "Die Windows-Hölle")

Steffen Schulz pepe_ml at gmx.net
Fr Aug 25 22:41:14 CEST 2006


On 060825 at 19:20, Frank Lehmann wrote:
> >Also beim A-Amt hab ich immer noch das Gefühl von "Planwirtschaft" oder 
> >besser "Planloses wirtschaften". Die leben doch tatsächlich nur für 
> >ihrer Statistiken.
> Die Bundesagentur für Arbeit ist eine Behörde. Die können doch gar nicht 
> anders - denn wenn sie schneller wären hätten sie ja auch nichts davon! 
> Da fehlt absolut die Motivation, die ein Unternehmen hat.

Privatisieren ist deshalb aber noch lange nicht die Loesung.

Bei der Privatisierung von Dienstleistungen geschehen zwei Sachen:
Sie werden teurer und sie leisten weniger. Weil der Manager natuerlich
den Profit maximiert, was bedeutet, dass er saemtliche Kosten zu
externalisieren, also auf andere abzuwaelzen versucht.

Der Muell vor meinem ehemaligen Studentenwohnheim wurde seit
Privatisierung der Entsorgung nicht mehr abgeholt, weil einige Leute
nicht korrekt Muell getrennt haben. Diese Tonnen muessen dann als
Restmuell gezahlt werden. Zugleich sind die Entsorgungskosten insgesamt
gestiegen.

Das ist jetzt in der Tat gar kein Widerspruch, nein, das ist Kapitalismus.
Da verdienen sich einige jetzt ne goldene Nase. Und als Verfechter des
Kapitalismus muss man sagen: Ist auch ihr gutes Recht.

Ob sich da irgendwann eine Konkurrenz entwickelt, ist mir ziemlich
egal, bis dahin hab ich mein Diplom, bin vllt sogar schon Rentner.

> Was wächst, ist das BIP. Um 2% - hoffen wir mal.

Kapitalismus muss wachsen, um still zu stehen.

Es ist nicht nur eine Laune, dass offenbar der Grossteil der
Bevoelkerung mit Loehnen und Ausgaben unzufrieden ist. Es werden mehr,
und es wird radikaler, weil die Ausbeutung und Ungleichheit ebenfalls
radikaler wird.
Wir wachsen fuer "Kapitalismus" nicht mehr schnell genug.

> Nur, wenn es nicht dein eigenes Geld ist denkst du nicht so darüber 
> nach, sondern baust in Frankfurt/O eine halbe Chipfabrik, in Brandt eine 
> halbe Zepellinfabrik und eine Rennstrecke in der Nähe von... Na, ihr 
> wisst schon. Diese fünf Dönerbuden in deiner Straße sind genau so ein 
> Zeichen, dass das jetztige System der Umverteilung ziemlich sch... ist.

Ja. Politischer Aktionismus, Patchwork.

Das heist aber nicht, dass globale Selbstregulierung die Loesung ist.
Sowas wird langfristig den Mittelstand vernichten.

> >Es brauch eben niemand eine zweit Waschmaschine, Kühlschrank und Wohnung. 
> Und auch keine Computer, keine Flugzeuge, keine Autos, keine 
> Klimaanlagen. Warum überhaupt Kühlschränke? Ging doch früher auch ohne. 
> Die menschlichen Bedürfnisse sind leider unerschöpflich und aus diesem 
> Grund wird auch immer weiter gebastelt und probiert Sachen effizienter 
> zu machen.

Das Problem ist nicht, dass man Sachen effienter machen will, sondern
dass ein Zielkonflikt zwischen Gesellschaft und Wirtschaft besteht.

Reichtum ist nicht die Zahl auf dem Konto.

> >>>Also weg von der Lohnsteuer und den Arbeitnehmer-bla-bla-Kassen. Hin zur
> >>>Energie-, Ressourcen-, Müll und Mehrwert-Steuer. Und damit sind wir dann
> >>>wieder beim Grundeinkommen (was übrigens schon im GG steht). Im
> >>>Gesundheitswesen zahlen dann alle ein und werden alle versorgt. Wer ein
> >>>vergoldeten Rollstuhl will muss sich dann selber darum kümmern.
> >>Ist das denn heute so viel anders? Es gibt eine medizinische
> >>Grundversorgung, zB beim Zahnersatz - und wer mehr will, muss auch
> >>(kräftig) dafür bezahlen.

Wenn man heute ohne Zahnluecken rumrennen will, muss man schon
kraeftig hinzuzahlen. Und wenn du bald deine e-GK mit dir rumtraegst,
wird der Notarzt erstmal deinen Zuzahlungsstatus^WNotfalldatensatz
auslesen.

> Macht exakt: 43.680€ Hast du schon soviel 
> eingezahlt? :-)

Ohne Arbeit wird er das auch nicht schaffen. Aber er zahlts ja
nichtmal selbst ein. Es gibt ja einen Generationenvertrag, dh es hat
sich irgendwann mal wer kraeftig bedient und seitdem zahlen die Jungen
direkt fuer die Alten. Das ist dann natuerlich ein Problem, wenn die
Jungen weniger werden.

> in der Tasche haben. Aber das sind meist nicht die, die Architektur, 
> Stadt- und Regionalplanung, Medienwissenschaften oder Germanistik 
> studieren. Und es soll ja auch nicht jeder studieren: Die 
> Fleischerinnungen haben auch erst zwei Drittel Ihrer Lehrlingsstellen 
> besetzt in Brandenburg. Komisch, oder? Es gibt tatsächlich Unternehmen, 
> die Leute suchen.

Ja. Vielleicht liegt das daran, dass man heute mit Abitur Baecker und
Friseur wird. Mit meinem Studium schaff ich's wohl auch mal in den
Arbeitsmarkt, andere haben da weniger Glueck.

Das die Fleischerinnung Leute sucht, hilft der Anglistin auch nicht.
Jetzt kann man sagen "soll sie halt was anderes studieren", aber genau
das ist ja der Haken. Da sind ganze Bevoelkerungsschichten, die auf dem
Arbeitsmarkt nicht gebraucht werden. Solche Faecher werden heute
studiert, weil man schon vorher keine Chancen auf nen Job hat.
Und das sind alles Junge gebildete Leute.

> Schade. Was denkst du, woran es liegt? Vielleicht, weil die Leute lieber 
> zu den Discoutern gehen, weil es da billiger ist? (Literaturtip: 
> "Schwarzbuch LIDL", Autor: vergessen)

Sie haben auch einen Grund dafuer, zu LIDL zu gehen.

Eine Grundeigenschaft des Kapitalismus ist, dass die Kohle, die man bei
der Effizienzmaximierung rausholt, nicht an "das Volk" geht.

> >Daraus schließe ich mal, das du nur Produckte aus dem Fairhandel erwirbst 
> >oder dem Bauer von neben an.
> Nee, nicht wirklich. Das mit dem Bauer stimmt. Aber an den "Fairen 
> Handel" fehlt mir der Glauben. Und selbst wenn es nicht so wäre: In der 
> VWL heißt das "Private Vices, Public Benefits" - Absolut unsozial und 
> unmenschlich - "Wenn jeder an sich selbst denkt ist an alle gedacht.". 
> Wenn wir nicht dieses (negative) Verhalten hätten ginge es uns (als 
> Land) ja nicht so gut, dass ist das (perverse) Problem.

Aber die Idee hinter fairem Handel ist genau das, was als Argument fuer
Kapitalismus angebracht wird. Du hast oben kritisiert, dass die Leute
bei LIDL einkaufen gehen. Einen grossflaechigeren Ansatz, den
ausbeutenden Faktoren des Kapitalismus durch deine Macht als Konsument
entgegenzutreten(hoho..), lehnst du aber ab?

> "zwingen" jeden Tag acht Stunden arbeiten zu gehen und am Ende des 
> Monats wird das "Grundeinkommen" gleichmäßig auf alle verteilt. Ups, das 
> das gabs ja schonmal.

Marx ist die Theorie, Murx ist die Praxis...mein Papa hat sich in der
Schule immer bei den Lehrern unbeliebt gemacht, wenn er Beispiele fuer
diesen Spruch aufgezeigt hat.


Und nee, ich weiss auch keine Antwort. Ich weiss nur, dass wir sie
noch nicht haben.


mfg
pepe
-- 
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