[linux-l] Re: internetzensur in europa (italien)

Steffen Dettmer steffen at dett.de
So Mai 14 18:46:48 CEST 2006


* Volker Grabsch wrote on Sun, May 14, 2006 at 16:31 +0200:
> On Sun, May 14, 2006 at 02:02:13PM +0200, Steffen Dettmer wrote:
> > > Was ich generell von der Sperrung halten soll, weiß ich nicht, aber
> > > wenn wirklich eine IP komplett wegblockiert wird, dann ist das m.E.n.
> > > dermaßen überzogen, dass es hier zurecht als Zensur bezeichnet wird.
> > 
> > Was hättest Du gemacht, wenn Du die gerichtliche Anweisung "Blockierung
> > des Zugriff auf Online Lotto Deutschland" in Italien hättest umsetzen
> > müssen?
> 
> Moment, wenn ein Gericht (oder welches Gremium auch immer) so etwas
> beschließt, ohne auch nur den geringsten Schimmer von der Technik
> zu haben, dann wäre meine natürliche Gegenfrage: "Was für eine Sperrung?
> Was genau soll gesperrt werden?"

Seit wann kann man Gerichte fragen? Da kann man in der Praxis wohl nur
die Taktik der Besten Annahme (TM) fahren, glaube ich.

> Wenn ich dann zu hören kriege: "*Sie* sind doch der Techniker!", dann
> würde ich laut fragen, warum der Beschluss nicht durchdacht wurde.

Schon wieder falsch, "denken" wird ja nicht unterstützt. Und man darf ja
leider nicht mit Logik rangehen ;)

> Ich meine, egal wer das beschließt: Das "Wie?" muss vor dem Beschluss
> feststehen, d.h. wenn sie selbst keine Ahnung haben, sollten sie eine
> technische Beratung für die Beschlussfindung hinzuziehen.

Klingt ja in der Theorie ganz gut, in der Praxis würde sich dann aber
bloss herrausstellen, dass man es nicht verhindern kann, sondern nur
erschweren (und nichtmal wirklich). Also geht man ganz pragmatisch ran.
Sperren. Da hat man was gemacht und alles fein. Das das nicht sooo viel
bringt, ist was anderes. Poweruser störts vielleicht kaum. Tja, sei
froh, Poweruser zu sein ;)

> Da könnte man genausogut mit einem Gerichtsbeschluss von der Polizei
> verlangen, alle (werdenden) Schwerverbrecher der nächsten zwei Jahre
> schonmal vorher einsperren. Denn man ist zu dem Ergebnis gekommen,
> dass sich dadurch viele unschuldige Opfer schützen lassen. Auf die
> Frage, wie man die Verbrecher der nächsten 2 Jahre voraussehen solle,
> bekäme das Polizi-Präsidium dann die Antwort: "*Sie* sind doch die
> Kriminalisten!"

Ja, eben, bring bloss niemand auf Ideen!!

> Soweit ich weiß, ist es hier in Deutschland (glücklicherweise) gängige
> Praxis, zu schwierigen Themen einige Gutachter/Experten zu Rate zu
> ziehen. Meistens werden dann solche hinverbrannten, aus der totalen
> Ahnungslosigkeit entstandenen Ideen gleich im Keim erstickt. Auch ich
> musste schon den Eifer vieler Kunden bremsen, und sie über die Grenzen
> und Rahmen des technisch machbaren aufklären. Und hey, *vorher* nachzu-
> denken ist immer besser, für *alle* Beteiligten.

Aber nicht immer. Heise regt sich (zu Recht) auf, dass sie nicht
kontrollieren können, ob z.B. jemand in einem Forum was für andere
Firmen geschäftsschädigendes schreibt (oder was genau da war,
vergessen). Kann man nicht kontrollieren.

Steuerrecht ist (für mich als Laien) auch höchst wiedersprüchlich. Ich
darf anstatt des Fahrtkostenfreibetrages auch die tatsächlichen
Fahrtkosten als Werbungskosten absetzen. Aber nur, wenn ich Behindert
bin. Warum? Da gibt's noch viele weitere Beispiele.

Das Internet "passt" leider nicht in unser System. Gedankenexperiment:
wie verhindert man, dass Kinder, die unter sich sind, Kinderpornos
drehen und tauschen oder sowas? Na, es geht im Prinzip nicht. Das
Problem beim Internet ist nun, dass sich sowas nicht auf kleine Gruppen
beschränken muss, weil es zu gut skaliert.

> Würde man mich nach dem "wie" fragen, würde ich technisch korrekt
> antworten: "Eine vollständige, korrekte Sperrung ist technisch nicht
> realisierbar. 

Doch, Du findest raus, wo die Lottoserver sind und ziehst den Stecker :)

> Ich kann Ihnen jedoch einige Scheinlösungen anbieten: [...], [...] und
> [...]. All diese 'Lösungen' haben zwei Probleme, denn 1) sperren sie
> auch unbeteiligte Seiten, und 2) sind sie gegenüber technisch
> versierten Leuten unwirksam."

"Dann machen Sie mal die richtige Lösung, aber ohne die Nachteile 1 und
2".

Notfalls bekommt eine andere Firma den Auftrag.

> Würde man es mir einfach "aufzwingen", würde ich, nachdem ich mich
> vom Lachkrampf erholt habe, eine möglichst unwirksame Lösung vornehmen,
> um den Kolateralschaden zu begrenzen. Jenachdem, wieviel Kontrolle
> ich habe, würde ich z.B. "nur" die Domain sperren (bzw. umleiten zu
> einer erklärenden Seite).

Ja, oder halt 'ne IP, weil Du Carrier bist.

> Das ganze ist aber wirklich schwer zu beurteilen, weil ich nicht weiß,
> inwieweit Techniker, und wenn ja, *welche* Techniker an welchen
> Knoten, in die Entscheidungsfällung mit einbezogen wurden.

Ja, dem stimme ich zu.

oki,

Steffen

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Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt,
es trägt daher weder Unterschrift noch Siegel.




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