[linux-l] GPL ist nicht Public Domain

Steffen Dettmer steffen at dett.de
So Nov 19 17:33:15 CET 2006


* Frank Reker wrote on Sun, Nov 19, 2006 at 01:08 +0100:
> Am Sat 18. Nov 2006 15:11 +0000 schrieb Volker Grabsch:
> 
> >On Sat, Nov 18, 2006 at 01:52:55PM +0100, Steffen Dettmer wrote:
> 
> >> Dann schickst Du ne Mail mit einem .tgz. Weil das den Kunden natürlich
> >> nicht interessiert, wirst Du diese Mail vermutlich nie schicken müssen.
> >
> >ACK. Aber mit diesem einen Satz im Vertrag ist das noch lange nicht
> >getan, oder?
> 
> doch. du musst sie ihm nur zugaenglich machen. und wenn auf anfrage.

Genau, und da es die meisten nie haben wollen, kann man sowas prima
schreiben.

BTW, es dem Autor zu mailen reicht eben nicht. Ich hab schon etliche
Patches verschickt, die nicht eingeflossen sind - oft, weil die Autoren
den Kram eigentlich gar nicht mehr warten, Distros Eigenzweige benutzen
usw. Distros mögen scheinbar auch keine Patches. Bringt meiner Meinung
nach alles nicht so viel (gerade bei kleinen Erweiterungen). Also
Homepage und alles ist fein.  

> >> musst Du ja, da der Kunde die Lib austauschen dürfen muss, das
> >> Recht zugestehen, eine eigene Version zu benutzen. Auch dass kannst
> >> Du einfach garantieren: auf Verlangen werden vom Kunden gelieferte
> >> Object-Files gelinkt. Damit ist das Recht des Kunden gewahrt. Würde
> >> Arbeit machen, falls der Kunde tatsächlich mal mit Object files
> >> kommt, aber wenn ihn das gar nicht interessiert, wird's halt nicht
> >> dazu kommen, und wieder ist alles fein.
> >
> >Unnötiges Risiko. Kein vernünftiger Mensch würde sowas in seine
> >Verträge schreiben. Da wäre es ja einfacher, dem Kunden zusätzlich
> >ein dynamisch gelinktes Binary zu geben.
> 
> es reicht so etwas in einen zusatz (z.b. in ein readme) zu schreiben.

Du meintest ja, der Kunde will das eh nie. Wenn er es dann tatsächlich
möchte, kannste ja immer noch dynamisch linken, falls es weniger Aufwand
ist. Ich meinte ja nur, es tut nicht weh, es anzubieten, insbesondere,
wenn dieses Angebot nicht wahrgenommen wird.

> >Bei BSD/MIT ist nach kurzem Lesen klar, was ich darf und was nicht.
> >Bei GPL/LGPL nicht. Diese Hürde ist nicht technischer Natur, sondern
> >sie besteht IMHO darin, dass ein komplexes Regelwerk demotiviert, ein
> >einfaches hingegen motiviert.
> 
> ja, die gpl ist komplexer. aber das groessere problem ist denke ich
> eher, dass es so viele geruechte gibt was die (l)gpl alles vorschreiben
> und tuen wuerde, was haeufig gar nicht stimmt. und dann das 
> sprachproblem. da kommt so'n armer italiener mit seinen drei brocken
> englisch an, und soll dann einen juristischen text in englisch verstehen. 
> geschweige denn die auswirkungen in seinem eigenen heimatland.

Soweit ich weiss, sind die Lizenzen brauchbar in viele Sprachen
übersetzt.

> und das ist das naechste problem. die gpl (genauso wie die bsd, mit
> lizenzen) sind auf das us-amerikanische rechtssystem ausgelegt. aber
> inwieweit gilt das auch in europa???

Zur GPL gibt es auf jeden Fall Bewertungen von deutschen Anwälten und
erfolgreiche Klagen. Ich glaub, das Ergebnis war in etwa, eigentlich
sind viele Details anders in Deutschland, aber interessanterweise kommt
unterm Strich das gleiche dabei raus (weil diverse Gesetze gelten etc).
War ziemlich kompliziert, aber ist egal, solange man weiss, dass es
unterm Strich funktioniert.

> schon allein der fakt der sprache. in den meisten europaeischen
> laendern ist nicht einmal juristisch geklaert, ob englisch-sprachige
> lizenzen ueberhaupt rechtskraeftig sind. afaik auch in deutschland
> nicht.  dann die anderen juristischen feinheiten. zum beispiel gibt es
> in deutschland ueberhaupt kein copyright. es gibt ein urheberrecht,
> aber das sind juristisch zwei voellig verschiedene dinge. das
> copyright ist ein kommerzielles vermarktungsrecht, das ist
> uebertragbar, vererbbar, verkaufbar, ... 

Das heisst in Deutschland "Verwertungsrecht" und ist (im Gegensatz zum
Urheber"recht" übertragbar). Die Amis haben das nur fälschlicherweise
zusammengemixt. Und ganz komisch geregelt, z.B. dass ein [c] mit einem
Jahr dran stehen /muss/. Ist in Deutschland alles viel schöner :)

> das deutsche urheberrecht soll das geistige eigentum des urhebers
> schuetzen und ist nicht uebertragbar, oder vererbbar oder verkaufbar.

Soweit ich es verstehe, soll es eben kein Eigentum schützen, sondern nur
sicherstellen, dass der "geistige Vater" bekannt bleibt. Auch nach
übertragenen Verwertungsrechten kann der Urheber beispielsweise auf
Nennung seiner Urheberschaft bestehen (vielmehr Rechte hat er auch gar
nicht). Aber alles Halbwissen.

> es gilt bis 70 jahre nach dem tod des autors, und zwar ob dieser es
> haben will oder nicht. selbst wenn der autor keine copyright notiz
> reinschreibt, sogar wenn er nicht mal seinen namen erwaehnt, ist er
> der urheber und hat entsprechende rechte. 

Ist doch richtig so. In US ist das einfach nur bekloppt, finde ich.

> sozusagen gibt es in deutschland ueberhaupt kein "public domain", bzw.
> ein (programm-)text wird erst 70 jahre nach dem tod des autors zu
> "public domain" - vorher nicht. 

"public domain" bezieht sich IMHO auf Verwertungsmöglichkeiten, nicht
auf Urheberschaft.

Beim Satz des Phytagoras' weiss selbst nach 2000 Jahren noch jeder, wer
der Urheber ist. Er darf frei verwertet werden, weil keine
Einschränkungen der Verwertbarkeit (sprich: kein Patent).

> also selbst wenn du ein programm im internet findest ohne angabe des
> autors, und dieses verwendest, kann der autor noch nach 20 jahren
> kommen und dich wegen urheberrechtsverletzung anklagen.  ob diese oder
> andere juristische feinheiten auswirkungen auf die gpl oder andere
> freie lizenzen haben, muesste erst einmal ueberprueft werden.

Natürlich haben sie, es sind Gesetze. Soweit ich weiss, steht aber eh in
der GPL, dass Quellen genannt werden müssen. Müsste in Deutschland gar
nicht drinstehen, weil es eh Gesetz ist, tut aber nicht weh, wenn's
nochmal im Vertrag steht.

> was afaik bislang nicht geschehen ist.  bislang wird defakto die gpl
> als gueltig angenommen.  aber ob sie einer juristischen ueberpruefung
> des bvg standhalten wuerde ist nicht sicher.

Verfassungsgericht? Du ziehst in Erwägung, dass die GPL in Deutschland
verfassungswidrig sein könne?! hum... naja, keine Ahnung.

Jedenfalls gibt es Artikel über Bewertungen im Vertragsrecht.

> wenn es aber unterschiedliche urheber/lizenz-rechtliche bedingungen
> gibt, dann stellt sich die frage der rechtszustaendigkeit. was ist,
> wenn ein tuerke mit deutschem pass auf einem italien urlaub freie
> software auf einem server veroeffentlicht, der in frankreich steht,
> aber unter einer spanischen domain ansprechbar ist? welches
> recht gilt dann? was ist, wenn er es zeitgleich auch auf einem
> polnischen server veroeffentlicht?

meines Wissens nach ist das ganz einfach und daher ganz schwierig :)
Für Tätigkeiten eines Deutschen gilt zunächst deutsches Recht. Im
Auslang gilt das entsprechende Recht, für das veröffentlichen also
italienisches. Für die Existenz, Ablage und das Angebot gilt
französisches. Für die Annahme eines solchen Angebots da jeweilige des
Landes, aus dem der Interssierte stammt. Das spanische Recht gilt dann
für den DNS-Namen. Du kannst z.B. keine .de Domain mit
verfassungsfeindlichem Namen betreiben, auch wenn der Server in US
steht. Ein Ami könnte aber verfassungsfeindliche Inhalte auf einem US
Server ablegen, der unter einer .de Domain zugänglich ist. Nun, hier
kann man natürlich wieder argumentieren, dass die .de Domain
mindestens bei der Verwendung hilft, was vielleicht nicht verfassungs-
aber gesetzwidrig ist.

Ein Beispiel ist ja das US-Crypto-Export-Verbot. Wenn z.B. gpg von einem
Ami-Server gemirrort wird, darf dieser das nicht nicht-US-Bürgern zum
Download anbieten - auch wenn das Orginal in Deutschland liegt. Daher
mirrort man sowas halt nicht in US :)

> aber diese problem ergeben sich mit den bsd- oder mit-lizenzen genauso.
> im gegenteil - da die (l)gpl viel mehr regelt, duerfte sie eine hoehere
> rechtssicherheit aufweisen als bsw. die bsd-lizenz, die viele sache
> nicht regelt, und damit der nationalen gesetzgebung ueberlaesst.

Eine Lizenz kann Gesetze nicht überschreiben, diese gelten immer
(zumindestens in DE - in US sind wohl viele Gesetze nach dem Motto
"solange nicht anders geregelt" zu verstehen, aber keine Ahnung).

Du kannst zum Beispiel einen Vertrag machen, in dem Du Dein Urheberrecht
überträgst, aber das spielt keine Rolle, weil das per Gesetz nicht geht
und damit kannst Du das trozdem (gegen Deinen eigenen Vertrag)
einklagen. Du kannst aber einen Vertrag machen, in dem Du auf die
Ausübung dieses Rechtes verzichtest. Da könnte dann drin stehen, dass Du
soundsoviel Geld zurückzahlen musst, wenn Du es dann doch tust. Das
geht, soweit ich weiss.

> ergo - komplexere lizenzen moegen vielleicht schwerer zu verstehen
> sein, geben aber _oftmals_ bessere rechtssicherheit.

Ich denke, ein wichtiger Punkt ist auch, dass es Analysen zur GPL gibt,
aber vielleicht nicht zur KDE Art Licence (oder was es da geben mag).

oki,

Steffen

-- 
Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt,
es trägt daher weder Unterschrift noch Siegel.





Mehr Informationen über die Mailingliste linux-l