[linux-l] OT mir ist schlecht, siehe Link

Peter Ross Peter.Ross at alumni.tu-berlin.de
Do Aug 30 00:34:49 CEST 2007


Hi Thorsten,

ich denke, das Schoenreden der Vergangenheit haengt auch damit zusammen, 
dass die Blockwart-/Spitzelmentalitaet und andere Haesslichkeiten, die 
totalitaere Regime recht geschickt ausgenutzt haben, tief in der 
Alltagskultur verwurzelt sind.

Wie auch immer, die Allgegenwart der ehrenamtlichen Spitzel hat zu einer 
ganz anderen Selbstzensur gefuehrt, als es jetzt der Fall ist.

Diese Diskussion haette zum Beispiel in einem offenen Kreis wie diesem gar 
nicht stattgefunden. Und damit meine ich nicht die technische Moeglichkeit 
einer Mailingliste, sondern die Gesellschaft, in der das stattfindet.

Dass die technischen Moeglichkeiten zur Ueberwachung besser geworden sind, 
auch zur Auswertung, bestreite ich nicht. Wobei halt in entscheidenden 
Momenten eben doch haeufig viel daneben ging. Fuer 9/11 z.B. waren eine 
Menge Indizien gesammelt worden, aber keiner war in der Lage, das Puzzle 
zusammenzufuegen.

Ich habe nicht vor, die Beschraenkung von buergerlichen Freiheiten 
hinzunehmen und zu foerdern.

Aber die Verharmlosung der Stasi gefaellt mir ganz und gar nicht.

Die Kultur des Wegschauens gegenueber den Haesslichkeiten, die in der 
Masse verankert sind, ist doch extrem. Nein, eine organisierte Rechte war 
es nicht in Muegeln, oder wie das Nest hiess..

Wie sehr man seit Jahren, bald zwanzig, in Ostdeutschland den Verfall 
einer Ordnung kleinredet, die nicht mal fuer koerperliche Sicherheit 
garantiert, ist doch unglaublich.

Ich bin viel mit Freunden uebers Land gewandert, vorallen in Mecklenburg, 
meiner Heimat, und in Brandenburg. Die Toleranz Jugendlicher ist dort 
gleich null. Nicht nur gegenueber Auslaendern. Wenn ich dort ein Bier 
getrunken habe und irgendein Glatzkopf auf die Idee kam, mein Freund und 
ich koennten ja schwul sein, war die Atmosphaere nicht besonders 
entspannt, um es vornehm auszudruecken.

Und wenn es auch im Westen unmoeglich zu sein scheint, Tuerken zu 
integrieren, wenn ganze Wohnviertel westliche grossstaedte zu Problemzonen 
werden, mit Schulen, die ausser Rand und Band geraten sind, ist das 
vielleicht auch ein paar Fragen wert, ob das an der "Ueberfremdung" liegt, 
die Tuerken selbst dran schuld sind etc.

Ich wohne hier in Port Melbourne, wo sich seit den Fuenfzigern viele 
Griechen niedergelassen haben, oft aus laendlichem Griechenland, billige 
Arbeitskraefte fuer den Hafen und die Fabriken drumherum. Heute sind viele 
von ihnen wohlhabend, ihre Kinder sind nicht zuerst Griechen, sondern 
Australier, die einen griechischen Background haben. Meine Tochter geht in 
eine Schule, in der vielleicht die Haelfte griechische Nachnamen haben, 
und das ist eine ganz normale Schule. Die englische Sprache ist im 
Unterricht genausowenig ein Problem, wie es kein Problem ist, meine 
Tochter abzuholen, und dann mit ihr deutsch zu reden, wie andere Kinder 
mit ihren Eltern auch deren Sprache reden.

Das Gleiche gilt fuer alle anderen Minderheiten in Melbourne. Und wenn es 
orthodoxe Juden in St.Kilda East sind oder Somalier im Hochhaus um die 
Ecke, oder die Vietnamesen von Footscray, die distinktiv anders aussehen, 
sie sind selbstverstaendlich Teil der Gesellschaft.

Mit Buergern, die auch selbstverstaendlich Australier sein wollen, die 
dazugehoeren und dazugehoeren wollen.

Zu einer solchen Integration scheint das Deutschland nach dem 2.Weltkrieg 
nicht mehr faehig zu sein.

Aber es ist natuerlich einfacher, auf andere oder halt den boesen Staat zu 
zeigen, als sich mit den in der eigenen Kultur verwurzelten Problemen 
auseinanderzusetzen.

Gruss
Peter



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