[linux-l] Patentkonferenz FFII Aktion Berlin

Oliver Bandel oliver at first.in-berlin.de
So Mär 18 00:48:02 CET 2007


Moin,


On Sat, Mar 17, 2007 at 11:19:03PM +0100, Jrg Schmidt wrote:
> Hallo,
> 
> Oliver Bandel schrieb:
> > Innovation bedeutet: Kreativität in dei Praxis umsetzen.
> 
> Ja und praktische Umsetzung braucht Geld ...
> 

Bei Software nicht unbedingt.
Aber Zeit.


> > Und
> > Kreativität
> > braucht neben der vorbereitenden Mühsal/Training ganz gewiss
> > auch Freiheit.
> 
> Was ist denn heute mit dem Einzelerfinder, der kleinen Firma, die
> vielleicht über 15 Jahre an einer Entwicklung tüfteln, alles was sie an
> Mitteln haben reinstecken und wenn sie erfolgreich waren dann nur durch
> Patentschutz überhaupt die Chance haben das sich ihre Anstrengungen
> lohnen?

Die werden dann aufgekauft und billig abgespeist bzw. entlassen.
Das Patent wird dann später gegen sie verwendet, falls sie nochmal
versuchen, etwas auf die Beine zu stellen.


> Das sind nämlich die die Innovation betreiben und auf
> Entwicklung setzen, aber ebend keine Gelder dafür horten um das Ganze
> praktisch umsetzen zu können

Auch Patentanmeldungen kosten Geld, und es ist nicht anzunehmen,
daß sowas zukünftig kostengünstiger wird.


> und diese lieber in Entwicklung stecken ...
> und wenn sie dann erfolgreich waren brauchen Sie Partner für die
> Vermarktung und schöpfen ihren 'Lohn' aus dieser Vermarktung.
> Was machen denn die 'Kleinen' ohne Patente? Die 'Großen' /bitten/ die
> Vermarktung zu bezahlen und ihnen einen gerechten Anteil vom Gewinn
> abzugeben? Nun, ich denke, selbst gut zu arbeiten und dann trotzdem
> jemanden bitten zu *müssen* ist nicht unbedingt Freiheit.

Eine Patentrecherche zu blechen und dann mangels Geld für einen guten Anwalt
kein Patent zu bekommen oder einen Einspruch zu verlieren von den zahlungskräftigen
Gegnern.... bringt das etwas?

Hingegen kann man, wenn man geschickt Werbung macht - das ist
sicherlich effektiver und direkter und weniger aufwändig als eine Patentrrecherche -
sich wenigstens seinen Nischenmarkt sichern.

M$ hat klein angefangen. Es gab keine Patente, sie konnten wachsen.
Gutes Marketing hat geholfen.



> 
> > Wer Patente und Innovation in einem Zuge nennt und meint, Patente
> > würden Innovation hervorbringen hat entweder GARKEINE Ahnung
> > vom kreativen
> > prozess, oder führt anderes im Schilde.
> 
> Wenn ich Software schreibe, dann erwarte ich bestimmen zu können was
> damit geschiet, dieses "bestimmen" kann ich nun über eine OSS-Lizenz
> regeln, ein Anderer tut das quasi über ein Patent - wo ist der
> prinzipielle Unterschied?

Der prinzipielle Unterschied zwischen Marketing und Patent:

  Marketing: ich Preise mein Produkt an und wenn es den Kunden gefällt,
             (das produkt, oder das, was die Werbung darüber suggeriert),
             dann wird es gekauft

  
  Patent:    ich melde ein Patent an und habe ein Anrecht auf ein staatlich
             sichergestelltes Monopol und darf anderen, die das selbe erfunden
             haben (vielleicht sogar zeitlich VOR MIR), es aber nicht angemeldet
             haben (z.B. keine Moneten dafür oder als trivial betrachtet)
             verbieten, es kommerziell einzusetzen.


Wenn Du also erfindest, einen absoluten Pfad zu einer Datei in seine bestandteile
aufzusplitten (also den Pfad am "/" oder "\" aufzutrennen), und es als
patentwürdig ansiehst, und schöne Worte dafür findest, dann kannst Du es
versuchen zum Patent anzumelden.
Klar, das ist trivial, deswegen meldet eskeiner an, nicht?

Gibt es aber schon als Patent, weil es andere als nicht-trivial, sondern als
patentwürdig betrachtet haben. Wenn Du also auf diese Idee selbsttätig gekommen
bist und es nicht abgekupfert hast, dann fragst Du Dich doch möglicherweise, wieso
man Dir sowas per staatlich durchgesetzter Monopolisierung verbieten will.

Der Unterschied ist, daß Marketing bedeutet, daß alle eine Chance haben.
Es ist zwar schon so, daß die ersten am Markt, wenn sie sich nicht zu doof anstellen,
die Marktführerschaft behalten werden.
Aber das vernichtet noch niemand anderen, der es am Markt auch versucht.
Da kann es Nischen geben und die sind vielleicht nicht groß genug um
200.000 Leute damit durchzufüttern, aber vielleicht reicht es für
kleinere Unternehmungen.
Ein Patent hingegen verbietet die Anwendung einer speziellen Technologie,
wenn der Patentinhaber drauf besteht.

Der Unterschied ist der zwischen der Möglichkeit, daß ALLE an einer
Idee mitverdienen können (Win-Win-Situation) im Unterschied zum
Einer-gegen-Alle.




> 
> Geld?
> Wenn ich OSS schreibe, brauche ich etwas Hardware, etwas Software, etwas
> Kaffee, ... und das kann ich alles bar bezahlen und kann dann freiwillig
> (aus Freude an der Sache oder Überzeugung) das Ergebnis meiner Arbeit
> der Community 'schenken'.
> Wie entwickele ich denn aber ein neues innovatives Antibiotikum - als
> OpenSource, mit freiwilligen Chemikern, Pharmazeuten, Laboranten, ...
> oder nicht doch auf bisher übliche Art und Weise?

Das ist eine gute Frage und wenn Du die gelöst hast,
dann kannst Du mit der Lösung vielleicht auch reich werden ;-)

Und anders rum: es geht mittlerweile, daß man auf eh schon VON NATUR AUS vorhandene
Gene bei ENTDECKUNG (nicht Erfindung!) ein patent anmelden kann.

Was, wenn Kolumbus damals auf Amerika (Entdeckung) ein Patent angemeldet hätte?


Oder noch mal anders gesagt: Was meisnt Du, wieso so viel geld in
den sogenannten Gesundheitssektor fliesst?
Es gibt Patente auf bestimmte Medikamente, und die Preise und Einnahmen
der entsprechenden Unternehmen sind sicherlich weit höher, als
die Entwicklungskosten.

Es ist fraglich, ob das so weiter gehen kann.

Davon abgesehen ist fraglich, ob die diversen medikamente und auch 
das gesundheitssystem insgesamt so wirklich produktiv sind.

Man lese Ivan Illich's "Die Nemesis der Medizin".




> 
> Etwas der Öffentlichkeit 'vorenthalten'?
> Dann bin auch ich schuldig, ich habe hier nämlich Software für den
> Eigengebrauch geschrieben, wo ich nicht die Absicht habe sie je zu
> veröffentlichen.

Der Unterschied besteht darin, daß Du, wenn Du für Dich etwas programmierst,
und Andere das selbe oder auf dies selbe Weise für sich selbst programmieren,
und das evtl. vermarkten wollen, Du es ihnen nicht verbieten kannst.

Haste aber ein Patent, auch wenn Du es "nur für Dich" angemeldet hast,
kannste anderen verbieten, etwas auf den Markt zu bringen, was sie ebenso
selbst erfunden haben, zufälligerweise das selbe wie Du, aber sie hatten
es nicht oder nicht schnell genug angemeldet.

Das ist absolute "ich scheiss Dir vor den Koffer"-Mentalität.

Und es ist nun einmal so, daß - mit steigender Anzahl Menschen auf diesem
Planeten und sich verbreiternder Bildung unter diesen - es durchaus
vorkommen kann und auch häufiger wird, daß Menschen unabhängig voneinander
auf die selben Ideen kommen.

Bei früheren Entdeckungen oder Erfindungen hatte man hin und wieder
Historiker oder Wissenschaftsforscher sich darüber ausienandersetzen
hören, ob der eine von dem anderen oder der andere von dem einen
beeinflusst wurde, oder ob es - man höre und staune - gar möglich sei,
daß beide unabhängig voneinander die selbe Idee hatten?!

Bei besonderen Ideen in der Menschheitsgeschichte war es noch was
ganz besonderes, dieses scheinbar gleichzeitige uaffinden von
Dingen (Entdecken oder Erfinden).
Das waren zeiten, als einige wenige geforscht hatten oder
Entdeckungsreisen antraten.

Heutzutage macht ein immer größerer Teil der Menschheit sowas,
und wir glauben anscheinend immernoch, daß es ein einzelner alleine
ist, der Anrecht auf ein Monopol hat, da es einfach nicht sein kann/darf,
daß jemand eine Idee hatte, die ein anderer auch schon hatte.
oder mehrere andere.

Wenn ein großer Teil der Menschen die selbe Idee hatte und die auch in die
Praxis umsetzt, nennt man sowas wohl eine Revolution.

In diesem Sinne wird Revolution mehr und mehr zum Alltag...
...naja, nicht ganz, da es vielleicht mit dem Handeln noch hapert ;-)
...ausserdem waren wir ja beim Erfinden im technischen Bereich,
nicht im sozialen/gesellschaftlichen. ;-)





> 
> Oder anders gefragt:
> Ist denn die Frage so klar und eindeutig beantwortet unter welchen
> Bedingungen Innovation entsteht?


Ist denn überhaupt klar, was Innovation ist, oder was verschiedene
Leute meinen, daß sie sei, wenn sie das Wort in den Mund nehmen?

Diese Frage sollte man zuerst beantworten,
denn wenn man nicht weiss, worüber man redet, dann
fällt es auch schwer, die Bedingungen dafür auszumachen.

Ist Innovation nicht eigentlich selbst ein innovativer Begriff?
So ein typisches Hype-Word?!


> Besteht denn ein Unterschied zwischen der Zurückhaltung eines Patentes
> und der Überlegung erst garnicht zu forschen (weil die Umstände
> ungünstig erscheinen)?
> Und falls Keiner besteht, sollte es ein Gesetz geben das jeder, bei
> Strafandrohung, forschen muß?

Der Unterschied besteht darin, daß man nicht nur Wissen zurückhält,
das man selbst nicht preisgeben will, sondern anderen das auch noch verbieten
kann, jedenfalls was die kommerzielle Nutzung angeht.

Wenn jemand eien Erfindung gemacht hätte, die in 5 Jahren den C02-.Ausstoß
weltweit nicht nur vermindern sondern gar reduzieren könnte, und auch
noch das bereits vorhandene CO2-Übermass abbauen könnte, dann wäre
das zwar sicherlich eine feine Sache und un's Merkel fände das nett.
Würde aber ein Patentinhaber das zurückhalten und ein Anderer
das selbe erfinden... tja, dumm gelaufen.
Patent ist Patent, da helfen auch keine Klimaparolen.


( Total Recall: erst mal die Luft abdrehen, heheh... )


> 
> >       Ich weiss aber von leuten, die innovative Geräte gebaut haben,
> >       daß sie keine Chance haben - trotz Patent für eine
> > Hardwareentwicklung.
> >       Ohne Patent, aber mit Geldgeber oder Firma, die bereit wäre, die
> >       Geräte herzustellen, wäre damit schon Geld zu machen.
> 
> Und was soll das sagen? Da ist jemand mit einer guten Idee und die ist
> sogar schon patentiert und er findet keine Geldgeber. Und wenn er sie
> nun nicht hätte patentieren können (weil das Patentrecht abgeschafft
> wäre) hätte er Geldgeber gefunden?

Er hätte sich viel Geld und Mühen gespart.
Hätte er diese Zeit und das Geld investiert, um
sein Marketing zu betreiben, wäre er jetzt vielleicht schon
wesentlich weiter.


> Ist doch unlogisch - denn warum sollte jemand bereit sein in eine Sache
> Geld zu investieren, wenn er befürchten muß jeder kann sie nachmachen,
> aber gleichzeitig kein Geld investieren wenn er weiß er könnte etwas
> exklusiv vermarkten?

Warum man statt langer Patentrecherchen und Vorbereitung von bürokratichem
Blahblah lieber sein Produkt schnell auf den Markt bringen sollte?

Damit man:
  a) der erste am Markt ist und
  b) damit Prior Art öffentlich gemacht hat
       (wodurch übrigens ein Patent obsolet wird, bzw. anfechtbar,
         aber sowas kostet auch Geld, deswegen ist's Patenrecht ätzend)


Und was die Moneten angeht ist entscheidnend,
                   WER ER ALS ERSTER AM MARKT IST!


Man ist dann also retster am Markt und Marktführer und macht eh die
meiste Kohle, ohne aber anderen zwagnsweise das Recht abzusprehen,
mi dem gleichen Ding auch Geld zu machen. Man muss doch dann eh nicht
mehr hungern, also warum anderen noch ins Gesicht treten?



> 
> 
> 
> 
> Es gibt die beschriebenen Symtome von 'Patentmißbrauch', gewisse
> Änderungen des Patentrechts wären ggf. nicht falsch und würden ggf.
> sogar bedrängten Firmen kurzfristig 'Linderung' verschaffen. Nur wer
> glaubt das es irgendeine Änderung oder Abschaffung das Patentrechts
> geben könnte, die langfristig der OSS-Szene /entscheidende strategische/
> Vorteile verschafft, täuscht sich meines Erachtens, es sei denn man wäre
> der Meinung man müsse für OSS eine ewige Nischenposition verteidigen,
> dieser Meinung bin ich jedoch nicht.


Wer glaubt, daß kleinere Änderungen in einem System das selbige
wirklich verbessern, braucht nur mal Gall's "List und Tücke der Systeme"
zu lesen.
Klar, ist fast seichte Literatur, aber man braucht sich bloß
die Bundesanstalt für Arbeit oder die Gesundhetsreform oder irgend ein
anderes Reförmchen anzuschauen, um zu sehen, daß - praktisch gesehen -
der damit den Nage auf den Kopf trifft!

Oder warum haben wir immernoch die Umstellung von
Normal (sog. Winterzeit) auf Sommerzeit, obwohl die
angeführten (absehbar unsinnigen) Spareffekte bei
der Energie, die als Begründungen füpr diesen Uhrenunsinn angeführt wurden,
sich mittlerweile auch als gesicherten Unsinn heraus gestellt haben?

Naja, vielleicht läßt man es besser so wie es ist, denn wenn
man diesen Uhrenunsinn wieder rückgängig machen will,
dann braucht das zwanzig Jahre Diskussionszeit im Parlaberment
und diese zeit braucht man ja eigentlich für Diskussionen um Diäten-
Erhöhungen (oder gehen die immer schnell durch?!;-)).





> Was zu erleben ist, ist normales Marktgeschehen, nämlich das sich zur
> Wehr setzen der 'Etablierten' gegen die 'Neuen'.

Ja.
Du sagst es ja selber, wozu es dient.

Also, dann lies doch mit der Erkenntnis mal Deine eigene Mail.

Frage: WEM NÜTZT ES?!

Und: NÜTZT ES DEN ARGUMENTATIV VORGEBRACHTEN SACHEN (Innovation)?!

Oder wird genau so argumentiert, wie es NICHT gemaint ist?

Innovation hiesse: "OK, laß die neuen mal ihr Zeug ausprobieren",
statt es alles zu verhindern.

> Patentrecht ist hier
> nur ein mögliches Mittel zum Zweck, keinesfalls das einzig Denkbare und
> keines was sich spezifisch allein gegen OSS richten würde.

Du nennst den Zweck ja, aha.
Ist aleso NICHT die vorgegebene Innovations-Freudigkeit,
sondern das Gegenteil davon.
Meinst Du doch so, oder?



Gruß,
   Oliver





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